Nachruf auf Lore Schretzenmayr
Der Bayerische Landesverein für Familienkunde trauert um sein Ehrenmitglied Frau Lore Schretzenmayr (geb. Schiepeck), verstorben am 12. Januar 2014 in Regensburg. Sie war eine Persönlichkeit in des Wortes bester Bedeutung, die Wärme und Respekt gleichermaßen ausstrahlte; und sie hatte eine Leidenschaft: die Genealogie, die Erforschung des Lebens und der Lebensumstände ihrer Vorfahren, ihrer Landsleute und aller daran Interessierten. Diese Leidenschaft prägte sie zeitlebens, vom Familientreffen SEICHE im Jahre 1935 im Dorf Auschine, Pfarrei Kulm im Bezirk Aussig, als 10-jähriges Mädchen bis zum Ende ihres Lebens; noch im Juni 2013 hat sie am Arbeitsabend unserer Bezirksgruppe Oberpfalz teilgenommen.
1925 als Lore Schiepeck in Aussig a.d. Elbe geboren, besuchte sie dort Volksschule und Gymnasium und wurde nach dem Krieg wie alle Deutschen aus ihrer Heimat vertrieben. Die Flucht führte sie mit Mutter und Schwestern über die nahe Grenze nach Sachsen in den Bayerischen Wald und schließlich nach Regensburg, wo die Familie eine neue Existenz aufbaute. Nach dem Besuch der Hotelfachschule in Bad Reichenhall und einigen Jahren Berufstätigkeit (u.a. in Rüdesheim am Rhein) heiratete sie den Architekten Helmut Schretzenmayr und gründete eine Familie, der die Kinder Beate und Stefan entsprangen. Die Familienforschung blieb ihre Leidenschaft in Regensburg, das ihr zur zweiten Heimat wurde. Zu dem Interesse für ihre sudetendeutschen Vorfahren kam nunmehr die Erforschung der Familie ihres 1987 früh verstorbenen aus Lauingen/Donau stammenden Ehemannes. Über Jahre hinweg erforschte sie diese Familie, dazu dann auch die Namensträger Schretzenmayr in Bayern und in aller Welt und wohl auch in allen genealogischen Verästelungen.
In dieser Zeit, 1968, trat sie dem Bayerischen Landesverein für Familienkunde bei. Als 1991 dessen Bezirksgruppe Oberpfalz (Regensburg) unvermittelt einen Vorsitzenden suchen mußte, stellte sie sich spontan und uneigennützig zur Verfügung. Sie hatte das Amt bis 2007 inne, stets ebenso engagiert wie couragiert. Sie setzte sich für den Verein bis zuletzt ein – bis jetzt als Delegierte zum höchsten Gremium des Vereins, der Landesversammlung.
Bereits 1949-50 fand sie Kontakt zu sudetendeutschen Ahnenforschern, mit denen sie zeitlebens verbunden war. 1971 war sie Gründungsmitglied (Mitgliedsnummer 4!) der Vereinigung Sudetendeutschen Familienforscher (VSFF) – zuerst und über viele Jahre als Kassenwartin, von 1995 bis 2001 als deren Vorsitzende und danach im Beirat. In gleicher Weise war sie in den 1970er Jahren auch im Vorstand des Vereins Arbeitsgemeinschaft Ostdeutscher Familienforscher (AGoFF) aktiv geworden.
Über viele Jahre engagierte sich Lore Schretzenmayr intensiv für die Belange der Genealogie. Unermüdlich führte sie seitdem die Interessenten dieses Arbeitsgebietes zusammen, organisierte die Deutschen Genealogentage 1976 in Regensburg und 1982 in Passau, veranstaltete Tagungen und kuratierte Ausstellungen, organisierte zahllose Fachseminare zur ost-, sudeten- und mitteldeutschen Familiengeschichtsforschung und vermittelte dabei überzeugend und mit profunder Sachkenntnis heimat- und familiengeschichtliche Zusammenhänge. Von 1987 bis 2001 führte sie das Sudetendeutsche Genealogische Archiv in Regensburg – eine einzigartige und herausragende historische Einrichtung nicht nur für die sudetendeutsche Volksgruppe. Wer sie in diesen Jahren in ihrem Haus in Regensburg besuchte, weiß bestens, wovon hier die Rede ist.
Besonders am Herzen lag ihr ihre Heimatstadt Aussig, sie hatte z.B. bis zuletzt einen guten Draht zum Archiv dieser Stadt. Ein weiterer Schwerpunkt in ihrem Leben war das Aufrechterhalten von Kontakten zu Menschen aus dieser Stadt und ihrem Umland, hier auch besonders zu den ehemaligen Schülern des Aussiger Gymnasiums. Jährlich gab sie um Weihnachten eine kleine Zeitschrift „PLAWAK“ heraus und sandte diese an ihre Schulkameraden.
Am 2. Juni 2001 wurde Frau Lore Schretzenmayr auf dem Sudetendeutschen Tag, mit der Adalbert-Stifter-Medaille der Sudetendeutschen Landsmannschaft geehrt – nicht nur als Ehrung für ihre genealogischen Aktivitäten sondern auch für ihr stetes Engagement in der Kultur- und Frauenarbeit der Sudetendeutschen Landsmannschaft.
In ihrer ersten Heimat, der sudetendeutschen Heimat tief verwurzelt zu bleiben, war ihr ein steter Antrieb; viele – sehr viele Fahrten und Kontakte in die Heimat, viele Recherchen in tschechischen Archiven, oft und oft nur für ihre Landsleute; sie war Vorbild und Antrieb für viele andere. Mit ihrer Aufgeschlossenheit gegenüber den Generationen der Kinder und Enkel verschaffte sie der genealogischen Forschung eine breite Öffentlichkeit und gab ihr – noch viel bedeutsamer – fortdauernde, weit in die Zukunft wirkende Impulse.
Frau Schretzenmayr hat es schon in den für die Vertriebenen schweren Zeiten nie an Standhaftigkeit gefehlt, die berechtigten Anliegen der Sudetendeutschen auch in dem nur vermeintlich unbedeutenden Bereich der der Genealogie zu vertreten; in der Tat hat sie damit aber maßgeblich zum Erhalt von deren kulturellem Erbe beigetragen.
Der Bayerische Landesverein für Familienkunde hat Frau Schretzenmayr im Jahre 2006 für ihre Verdienste um die Genealogie in Bayern zu seinem Ehrenmitglied ernannt. Wir werden ihr daher stets ein ehrendes Angedenken bewahren. Als Zeichen unseres Dankes und im Sinne ihrer Familie wird der Leukämiestiftung Ostbayern eine Zuwendung zukommen. Möge ihr die Erde ihrer zweiten Heimat nicht schwer sein. Der Herr gebe ihr die ewige Ruhe.
Regensburg, den 16. Jänner 2014
Dr. Albert F. Vogt
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