Gründung 1922 in München

Niederschrift über die am 19. Mai 1922, abends ½ 8 Uhr, im Jagdzimmer der Gaststätte Zum Augustiner in München abgehaltene Gründungsversammlung

Der städt. Verwaltungsoberinspektor Irlbeck eröffnete die Verhandlungen, begrüsste die Gäste und erteilte das Wort dem Referenten Lehrer von der Grün.

Von der Grün gab zunächst einen kurzen Überblick über die Entwicklung der Familienforschung in Deutschland, deren Anwachsen sich deutlich auch in der Entstehung immer neuer genealogischer Vereinigungen wiederspiegelt. Bis zum Jahre 1904 wurden die Vereine durchwegs als "Gesamtdeutsch" gegründet, d.h. ohne Beschränkung auf ein bestimmt territoriales Gebiet ("Herold" = Berlin, "Roland" = Dresden, "Zentralstelle" = Leipzig). Im letzten Jahrzehnt jedoch und besonders seit dem Kriege greift mehr eine Gliederung der Familienforschung nach landschaftlichem Gesichtspunkt Platz (Vereine von Niedersachsen, Westdeutschland, Frankfurt a.M., Württemberg, Hessen u.a.). Ohne die Bedeutung der grossen, weitausgreifenden Vereinigungen zu unterschätzen, muss doch festgestellt werden, dass ihr Nebeneinanderbestehen erhebliche Verschwendung an Kraft und Geld bedeutet. Die Zahl der Familienforscher ist heute so gross, dass die Forschung leicht in gleichgeordneten, sich gegenseitig unterstützenden Landesvereinen organisiert werden könnte, die sich wieder in zweckmässige Unterabteilungen gliedern und in einer Reichsstelle ihre oberste Spitze finden müssten. Gegen den Anschluss an einer der Gesamtdeutschen Vereinigungen sprechen die engen Beziehungen der Familienkunde zur Heimatforschung, die grössere praktische Unterstützungsmöglichkeit der gleichzeitig auf demselben Gebiete tätigen Forscher und die hohen Beiträge der Gross-Vereine, für welche sie dem bayerischen Forscher nur sehr geringe unmittelbare Förderungen zu bieten vermögen. Der Referent tritt ein für einen bayerischen Sonderverein, der jedoch mit den gleichstrebenden und verwandten Vereinigungen zusammenarbeiten soll.

Irlbeck dankte im Rahmen der Versammlung für die Ausführungen und liess die Versammelten darüber abstimmen, ob der Verein gegründet oder ob die Gründung unterbleiben soll. Einstimmig wurde die Gründung beschlossen. Die sämtlichen Anwesenden - es waren 31 - gaben eine schriftlichen Erklärung über ihren Beitritt zum Verein ab.

Es erfolgte hierauf die Wahl der Vorstandschaft. Aus dieser Wahl gingen einstimmig gewählt hervor:

I. Vorsitzender: Georg von der Grün, Lehrer
II. Vorsitzender: Egon Freiherr von Berchem, Verlagsbuchhändler
Schriftführer: Otto Engl, Obersekretär am Hauptstaatsarchiv
Schatzmeister: Franz Giehrl, Buchdruckerei- und Verlagsanstaltsdirektor
Vorstandsmitglieder: Dr. Lenz, Privatdozent für Hygiene; Lorenz Rheude, Kunstmaler; Dr. Hans Ruederer, Psychologe.

Die Gewählten erklärten die Wahl anzunehmen. Der Vorsitz der Versammlung ging nun an die Leitung des neuen Vorstands von der Grün über. Es wurde nun [in] eine Aussprache über verschiedene Vereinsfragen eingetreten. So wurde der Name des Vereins als "Bayerischer Landesverein für Familienkunde" festgelegt. Der Vereinsmindestbeitrag wurde auf 30 Mark für das Jahr 1922 bestimmt. Die nächste Zusammenkunft wurde für 7. Juni 1922 vereinbart. Ausführlich wurde auch über die Fühlungnahme mit der Tagespresse und den heimatkundlichen Zeitschriften gesprochen. Es wurde auch von der Schaffung eines erweiterten Ausschusses im organisatorischen Interesse gesprochen.

Die Vorstandschaft wird nunmehr im engeren Kreise den Entwurf der Vereinssatzungen beraten, die Presse von der Vereinsgründung verständigen und in einer in Bälde stattfindenden Hauptversammlung endgültige Vorschläge über alle schwebenden Fragen, die sich auf die Ausgestaltung des Vereins beziehen, Bericht erstatten. Auf den Antrag Dr. Ruederer wird die körperschaftliche "Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte" in Leipzig erworben.

Baron von Berchem stiftet dem Verein Duplikate einschlägiger Zeitschriften. Kunstmaler Rheude stiftet einen Entwurf zu einem Vereinssignet für Drucksachen und trägt auch die Kosten der Herstellung des Klischees. Ein Ungenannter stellte den Betrag von 500 Mark zur Deckung der nächsten Kosten zur Verfügung.

An der Aussprache beteiligten sich u.a. Dr. Solleder, Staatsarchivar, Privatdozent Dr. Lenz, Schatzmeister Giehrl, II. Vorsitzender Baron von Berchem, Dr. Ruederer, Baron von Branca, Postrat Ibler.

Gegen 11 Uhr schloss der Vorsitzende von der Grün die schön verlaufene Versammlung.

 

Die Richtigkeit der vorstehenden Angaben bezeugt

München, den 6. Juni 1922

Hans Irlbeck