Der genealogische Nachlass – Mit System gegen den Altpapiercontainer
(Die nachstehenden Ausführungen sind durch Diskussionen in der AG-Nachlass, die am 27.04.2013 auf der Ideenwerkstatt der DAGV begründet wurde, entstanden. Sie sind weder vollständig noch als eindeutige Richtschnur gedacht. Sie sollen Anregungen zum weiteren Denken geben.)
Der Nachlass eines Genealogen ist wichtig: Er hat Wissen gesammelt, das der Nachwelt – oder auch schon der Umwelt der Zeitgenossen – erhalten bleiben muss, damit sie weiter forschen können, um das Wissen der Allgemeinheit zu mehren.
Eine Umfrage der Zeitschrift Computergenealogie von 2011 und 2014 zeigt, dass etwa 70 % der forschenden Genealogen keinerlei Vorbereitungen bezüglich ihres Nachlasses getroffen haben. Da droht viel Wissen zu verschwinden. Auch in der ARD-Sendung „Wer hat Recht?“ am 22. September 2014 wurde berichtet, dass etwa 75 % der Deutschen noch kein Testament haben.
Für den Genealogen und seinen genealogischen Nachlass gibt es vorab drei Möglichkeiten:
- Der Forscher will seinen Nachlass gar nicht weiter geben.
- Der Forscher hat einen Nachfolger in der Familie.
- Der Forscher hat keinen Nachfolger im Familien- oder Freundeskreis. Dann sollte er ein Archiv, einen Verein suchen, dem er seine Schätze anvertrauen kann.
Dieser Vortrag will hierfür eine Hilfe sein.
Der Nachlass eines Familienforschers kann in drei Gruppen eingeteilt werden:
- Memorablia: Erbstücke aus der Familie: Sie gehören in ein Familienarchiv
- Genealogica auf Papier
- Genealogica in elektronischer Form
Genealogica auf Papier
Die genealogischen Unterlagen eines Forschers sind leider häufig einer Ordnung unterworfen, die nur der Forscher selbst kennt. Der Forscher muss sie so ordnen, dass auch andere damit arbeiten können. Er muss Vorarbeit leisten. Vereine und Archive kein Personal, einen ungeordneten Nachlass aufzubereiten.
Diese Vorarbeit besteht aus vier grundsätzlichen Schritten.
- Er muss allen, auch seinen Erben, mitteilen, was mit seinem Nachlass geschehen soll.
- Er muss eine nachvollziehbare Ordnung schaffen und dokumentieren.
- Er muss eine Verfügung treffen, was mit dem Nachlass geschehen soll (z. B. mit einem Archiv/Verein/Institut einen Vertrag schließen).
- Er muss die genealogische Datei (Genealogica in elektronischer Form) sichern und mit der Programm-CD weiter geben.
Um Ordnung zu schaffen, sollte er/sie ein eigenes ‚Archiv’ erstellen:
Dazu gehört als erstes eine Übersicht, in der verzeichnet ist, wo in der Ordnung (dem Privatarchiv) was zu finden ist = ein Findbuch.
Für das Sortieren des ‚Archivs’ gibt es viele Möglichkeiten. Hier sollen drei Methoden beispielhaft genannt werden:
- Chronologisch: Jede Information (Kopie/Urkunde/Brief) erhält beim Eingang eine fortlaufende Nummer, unter der sie in Ordnern abgelegt wird. In einer Excel-Tabelle werden die wichtigen Informationen in Spalten notiert, weil diese Tabelle schnell und effektiv durchsuchbar ist.
- Namensregister: Für jeden Familiennamen wird ein Register in einem Ordner angelegt, in das alle Informationen zu der Familie abgelegt werden. Bei großen Familien können Unterregister eingerichtet werden.
- Hängeregister/Tüten-Methode: Für jede Familie wird eine Hängeregistertasche oder ein DIN A 4 Umschlag erstellt, in die die Informationen (ohne Systematik) gelegt werden. Diese Methode eignet sich eher für kleine Familien.
Kopien von Unterlagen können/sollten vernichtet werden: Sie sind meist von dem Besitzer des Originals (z.B. Archiv) „zum persönlichen Gebrauch“ überlassen worden. Es reicht, wenn die Quelle zum Original angegeben ist.
Ahnenlisten, Ahnentafeln, Nachkommentafeln sollten, wenn sie von anderen Forschern stammen, mit Quellenangabe beschriftet und dem Archiv übergeben werden
Bücher, (vollständige) Zeitschriften, eigene und fremde familiengeschichtliche Manuskripte oder Entwürfe, Abhandlungen zur Familiengeschichten, OFB o. ä. sind Literatur. Sie können so, wie sie sind, dem Archiv/Verein übergeben werden.
Informationen in Form von Karteikarten oder Notizzetteln können kopiert (gescannt) und elektronisch gespeichert werden, was Platz spart. Oft steht in ihnen mehr Information als in die genealogische Datei übernommen wurde. Sie können bei fraglichen Stellen und bei später entdeckten Fehlern zu Rate gezogen werden.
Photos ohne Beschriftung sind wertlos, wenn keiner die Personen mehr kennt. Sie sollten deshalb auf der Rückseite mit weichem Bleistift, der sich nicht durchdrückt, beschriftet werden. Sie können zusätzlich als Scan in das Genealogieprogramm eingebunden werden.
Eigene Websites können/müssen umgemeldet werden, sonst sollte der Nachlassgeber festlegen, wer sich darum kümmern soll oder ob die Seite gelöscht werden kann. Passwörter und andere Zugangsdaten müssen vermerkt und weiter gegeben werden. Wenn in der Familie kein Nachfolger ist, kann ein Verein die Patenschaft übernehmen.
Für die Übergabe eines Nachlasses muss der Nachlassgeber eine Verfügung treffen, was mit dem Nachlass nach seinem Tod zu geschehen hat.
Er kann aber auch schon zu Lebzeiten einen Vertrag (eine Übergabevereinbarung) mit einem Archiv/Institut/Verein schließen, in dem klar beschrieben wird, dass das Archiv/der Verein nach seinem Tod das ausschließliche und vollständige Verwertungsrecht hat. Jedes Archiv hat einen Mustervertrag.
Eine Variante ist der Depositalvertrag. Damit übergibt der Eigentümer dem Archiv ausdrücklich unter Eigentumsvorbehalt (auch für die Erben) Unterlagen, die nach entsprechender Bewertungsentscheidung als Archivgut bleibenden Wert haben.
Genealogica in elektronischer Form
Da gibt es drei Möglichkeiten:
- A: Die Daten sind auf einer eigenen Homepage. Diese kann mit den Zugangsdaten an einen Verein/Archiv übergeben werden. Es muss aber geklärt werden, ob der Verein/das Archiv alle Rechte und Pflichten übernehmen will.
- B: Reine Standesamtsdaten in Ahnenschläuchen in (aus) einem PC-Programm.
- C. Erweitere Darstellung in einem PC-Programm mit Anhängen wie Bilder, Dokumente, Photokopien und/oder Verknüpfungen ins WWW.
Da tritt nun das Problem des sog. „Datenklau“ auf, das immer wieder durch die Genealogie geistert. Das Wort ist ein falscher Ausdruck. Besser sollte es als Zitate ohne Quellenangabe bezeichnet werden, was sogar für Bundesminister zum Stolperstein werden kann. Quellenangaben sind selbstverständlich: „Genealogie ohne Quellen ist Mythologie“.
Allen Möglichkeiten gemeinsam ist, dass der Datenschutz unbedingt beachtet werden muss: Für die genealogischen Informationen über Lebende muss das informationelle Selbstbestimmungsrecht nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) beachtet werden. Für die Datensammlung im privaten, familiären Bereich toleriert das BDSG das Notieren der genealogischen Daten. Wird die Datei aber an ein öffentliches oder Vereins-Archiv übergeben, muss von jeder einzelnen der lebenden Personen eine schriftliche Genehmigung zu Speicherung und Verarbeitung der personenbezogenen Daten vorliegen (§ 4 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG). Auch gilt: „Wo kein Kläger, da kein Richter“. Wenn aber einer der Betroffenen Anzeige erstattet, kann eine solche Ordnungswidrigkeit teuer werden.
Es gibt Genealogieprogramme, die beim Ausdruck (auch auf einer Homepage) die Daten Lebender nicht anzeigen. Aber sie sind in der Datei vorhanden. Solche Datensätze dürfen nach dem BDSG nicht an Dritte (außerhalb der Familie) weiter gegeben werden.
Es gibt Genealogieprogramme, die Daten Lebender gar nicht exportieren. Dann sind zwar die Daten nicht vollständig, aber sie geben den status quo zum Zeitpunkt des Exports an. Auch der kann für nachfolgende Genealogen wichtig sein. Die Datei kann ja im Laufe der Zeit ergänzt werden.
Für die Aufbewahrung von elektronischen Dateien (GEDCOMs) bieten sich verschiedene Systeme an.
Internationale Datenbanken. (FamilySearch, Ancestry, Rootsweb, MyHeritage (mit Geni)) Sie bieten den Vorteil, dass die Daten international einsehbar sind und vom Betreiber wohl bei Systemwechseln übernommen oder transponiert/migriert werden. Die Adresse des Einsenders wird nicht gezeigt.
Ein Nachteil dieser Datenbanken ist, dass man die Daten nicht mehr zurückholen kann und teilweise für das Betrachten oder Ergänzen zahlen muss.
Eine gewisse Sonderstellung nimmt Geneanet ein. Es ist eine Datenbank französischen Ursprungs, in der auch Tafeln mit Vorfahren und Nachkommen angezeigt werden. Quellen und Bilder, Texte Urkunden können als Anhänge zu Datei gespeichert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Datei kann vom Einsender gelöscht werden. Die Adresse des Einsenders wird gezeigt.
Deutsche Lösungen sind GEDBAS und FoKo: GEDBAS, das Genealogische Datenbank System, das vom Verein für ComputerGenealogie erschaffen hat. Auch hier ist wohl sicher gestellt, dass die Daten bei einem Systemwechsel umgestellt werden. Datensätze können eingestellt und wieder entfernt werden. Die Datenbank erlaubt es neuerdings, Quellen anzugeben, was aber bisher ebenfalls nur selten genutzt wird. Ahnentafeln, Nachkommentafeln oder Generationsfolgen werden nicht angezeigt, Bilder, Scans, PDFs werden nicht gespeichert.Die Adresse des Einsenders wird gezeigt.
FoKo (Forscherkontakte) wurde von der DAGV ins Leben gerufen. Hier werden Namen und Orte gezeigt, in denen der Einsender geforscht hat. Die Weitergabe von weiteren Details ist dem privaten Kontakt zwischen Suchendem und Einsender überlassen.
Regionale Möglichkeiten in den Vereinen sind zu zahlreich, um sie hier aufzulisten.
Eine weitere Möglichkeit scheint das Programm TNG zu bieten. In dieser Datenbank können mehrere (Grenze nach oben unbekannt) Stammbäume parallel eingegeben werden. Über Namensgleichheiten im alphabetischen Verzeichnis, kann man auf identische Personen schließen und damit von einem Stammbaum, von einer Familie zur nächsten springen. Das Programm zeigt wahlweise Vorfahren oder Nachkommen bis zu 8 bzw. 12 Generationen als Kastendiagramme oder als Text an. Informationen über die Person enthalten auch Beruf, Besitz, Ehepartner, Kinder, Quellen.
Zusammenfassung
Der Nachlassgeber sollte folgende Punkte beachten:
- Er sollte nachvollziehbare Ordnung schaffen (eigenes Archiv, von Anbeginn an).
- Er muss Quellen benennen.
- Er muss das Urheberrecht beachten.
- Er muss einen Vertrag (Schenkung oder Depositalvertrag) mit dem Archiv schließen.
- Er soll sich für eine Form der Archivierung seiner GEDCOM entscheiden.
- Was publiziert ist, muss nicht nachgelassen werden.
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