Quellen zur Familienforschung in staatlichen Archiven – 19. und 20. Jahrhundert
Jeder Familienforscher, der bereits anhand von Standesamtsunterlagen und Pfarrmatrikeln einen Stammbaum erstellt hat und mehr über das Leben seiner Vorfahren erfahren möchte, sollte dazu die in den staatlichen Archiven verwahrten Quellen heranziehen. Staatliche Archive verwahren Verwaltungsschriftgut, dessen Aufbewahrung im Archiv heute nach der Verwaltungsstruktur und nach dem Herkunftsprinzip, dem sog. Provenienzprinzip, erfolgt. Neben dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München, das für die Archivierung der zentralbehördlichen Unterlagen in Bayern zuständig ist, gibt es in jedem Regierungsbezirk ein Staatsarchiv, das die Unterlagen der Mittel- und Unterbehörden im jeweiligen Sprengel dauerhaft aufbewahrt. Die Benützung der staatlichen Archive ist für Familienforscher kostenfrei.
Neben Lesekenntnissen der deutschen Kurrentschrift und Grundkenntnissen in der Verwaltungsgeschichte sollte jeder Forscher ein Grundgerüst an Daten über eine bestimmte Person mitbringen (z.B. Name, Lebensdaten, Wohnort, Beruf, verwandtschaftliche Beziehungen, grundherrschaftliche Verhältnisse), um überhaupt eine Forschung in einem staatlichen Archiv beginnen zu können. Berücksichtigt ein Familienforscher diese Voraussetzungen, bietet sich ihm in einem staatlichen Archiv ein fast unerschöpflicher Fundus an Informationen.
Neben den Pfarrmatrikelzweitschriften und den Zweitschriften der Personenstandsregister, die hier nur der Vollständigkeit halber Erwähnung finden, sind vor allem folgende Archivaliengruppen für den Familienforscher von Interesse:
- Adelsmatrikel: Verzeichnisse, in die sich von 1808 bis 1918 sämtliche Adelsgeschlechter eines Landes eintragen lassen mussten, um ihre besonderen Rechte wahrnehmen zu können
- Vormundschaftsakten, Nachlassakten: Massenakten, die bei Vormundschaftsgericht und Nachlassgericht zu einer Person angelegt wurden
- Akten über Ansässigmachung und Verehelichung, Heimat und Gewerbe: entstanden nach dem einschlägigen Gesetz vom 11. September 1825
- Grundsteuerkataster mit Umschreibheften: wichtigste Quelle für die Erstellung einer Hof- und Familiengeschichte vom Anfang des 19. Jh. bis zur Mitte des 20. Jh.
- Hypotheken- und Grundbücher: angelegt nach dem Hypothekengesetz von 1822, um 1900 zu Grundbüchern umfunktioniert
- Baugesuche: ab ca. Mitte des 19. Jh. für alle Privatbauten überliefert
- Notariatsurkunden: seit Einführung des Notariats am 1. Juli 1862 in Bayern nach Oberlandesgerichtsbezirken archiviert
- Briefprotokolle: zivilrechtliche Verbriefungen der niederen Gerichte vor Einführung der Notariate, eine der wichtigsten Quellen für Familienforscher
- Auswandererakten: bei den Landgerichten ä.O. bzw. Bezirksämtern entstanden
- Personalakten von Beamten
- Militärkonskriptionen: jahrgangsweise Erfassung aller militärpflichtigen jungen Männer
- Akten der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit bzw. Urteilsbücher
- Gefangenenbücher und Gefangenenpersonalakten der Justizvollzugsanstalten
- Spruchkammerakten: im Zuge der Entnazifizierung nach 1945 in den westlichen Besatzungszonen
- Akten über Entschädigung und Wiedergutmachung nach dem Zweiten Weltkrieg
Anhand von zahlreichen Digitalaufnahmen und Lesebeispielen wurden die wichtigsten Kennzeichen der einzelnen Quellentypen sowie deren Auswertungsmöglichkeiten für Genealogen aufgezeigt.
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