10 Jahre ICARUS - Mit ICARUS auf Zeitreise(n)
Das Archivnetzwerk ICARUS feiert 2018 sein 10-jähriges Bestehen. Grund genug, sich auf eine gemeinsame Reise in die Vergangenheit zu machen.
Text: Dagmar Weidinger
„Ready for take-off?!“ hieß es, als das Archivnetzwerk ICARUS am 9. November 2018 in der Skylounge der Universität Wien sein 10-jähriges Bestehen feierte. Den über 200 Gästen aus 30 Ländern wurde dabei nicht weniger als eine Zeitreise geboten. „Ursprünglich wollten wir einen Film mit den wichtigsten Stationen der letzten 10 Jahre drehen“, erklärt Thomas Aigner, Präsident von ICARUS das Konzept des Abends. Dass es kein Film wurde, sondern quasi eine „Live-Performance“ ist den zahlreichen internationalen Gästen zu verdanken, die als langjährige Partner von ICARUS, die einzelnen Stationen des Netzwerks zum Leben erweckten. Nach einleitenden Worten u.a. von Charles Farrugia vom Europäischen Zweig des Internationalen Archivrats, Manfred Wegele, Vizepräsident des Freundevereins ICARUS4all und dem Mathematiker Rudolf Taschner, der in Vertretung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka sprach, hieß es also: „Bitte, alle anschnallen!“
Die Anfänge – Monasterium und Matricula
Gelandet bei den Anfängen von ICARUS standen z.B. Lorenz Mikoletzky, Leiter des Österreichischen Staatsarchivs im Jahr 2008, und Žarko Vujoševič aus Belgrad Rede und Antwort. Entstanden aus einer kleinen regionalen Initiative ausgehend vom St. Pöltener Diözesanarchiv entwickelte sich rasch ein Netzwerk von europäischer Dimension. „Durch die Digitalisierung konnten wir virtuell Bestände wieder zusammenbringen, die historisch eigentlich zusammengehören, jedoch lange getrennt aufbewahrt wurden“, erzählt Karl Brunner aus seiner Perspektive als Historiker. Die Urkundenplattform Monasterium sowie das Portal für Einträge aus Tauf-, Trauungs-, und Sterbebüchern Matricula bildeten den Anfang. 2014 schlüpfte die Topothek unter das Dach von ICARUS, womit eine weitere Plattform für Fotos und andere Bilder aus Privatbesitz geschaffen war.
Mit der Topothek in den Nahen Osten
Nicht zuletzt die Topothek ist es auch, auf die der Dominikanerpater Michael Najeeb aus dem Irak zu sprechen kommt. Für ihn sei es eine Zukunftsvision, die mehr als 14.000 Fotos aus der Geschichte der chaldäisch-katholischen Christen im Irak in einer Topothek zu präsentieren. Auf der gemeinsamen Zeitreise steht seine „Station“ für eine ganz besonderes Projekt in der ICARUS-Geschichte. 2015 gründeten mehrere ICARUS-Partner gemeinsam die „Chaldean Heritage Task Force“, um Pater Najeeb Michaeel aktiv bei seinen Digitalisierungsaktivitäten im Irak zu unterstützen. Lebhaft berichtet der Ordensmann auch an diesem Abend wieder von seiner Rettungsaktion bedrohter Manuskripte der chaldäisch-katholischen Kirche im Irak vor dem IS. Seinen Wunsch an ICARUS und seine Zukunft artikuliert er mit einem Lächeln: „You need to give birth to more kids now!“ Gemeint ist damit die Ausweitung des Netzwerks über Europa hinaus auf die ganze Welt.
Archivnetzwerk auf „Friedens-Mission“
Für ihn, wie für alle Anwesenden stellt das Netzwerk viel mehr da, als eine Plattform für Digitalisierungsprojekte. „Wir sehen uns letztlich viel höheren Zielen verpflichtet“, sagt Thomas Aigner, der auch an diesem Abend wieder die Bedeutung der internationalen Kooperation zur Friedensstiftung und Demokratisierung hervorhebt. Den Abschluss bildet ein Statement Jussi Nuortevas, Direktor des finnischen Nationalarchivs. Für ihn sei ICARUS von Anfang an ein „Best Practice“-Beispiel gewesen, sagt der Archivdirektor, dessen Land als Spitzenreiter im Bereich der Digitalisierung von historischen Dokumenten gilt.
Doch was wäre eine Zeitreise über 10 Jahre ohne die eine oder andere Pause dazwischen? Die „Vienna Strings“ sorgten mit ausgewählten Musikstücken, u.a. mit „Flight of Icarus“ von Iron Maiden, für Abwechslung im dichten Programm. Und selbstverständlich kann auch eine Zeitreise nicht ohne eine kleine Stärkung zwischendurch auskommen – stilecht wurden daher zur Halbzeit von vier „Flug-Begleitern“ kleine Snacks in Form der berühmten Wiener Manner-Schnitten verteilt.
Ausblick in die Zukunft: Big Data of the Past
Das ICARUS-Jubiläum gerade als Zeitreise zu begehen, war jedoch nicht nur dem Unterhaltungswert geschuldet. Vielmehr steht das Konzept des Abends auch dafür, was ICARUS in Zukunft sein möchte – treibender Motor in einem weiteren EU-Großprojekt, das den Titel „Time Machine“ trägt. Es handelt sich dabei um eine Kooperation von über 200 europäischen Partnern aus 30 Ländern, die alle eines zum Ziel haben: Die Massendigitalisierung historischer Dokumente so weit voranzutreiben, dass diese in Zukunft mithilfe künstlicher Intelligenz gleich einem Google der Vergangenheit befragt werden können. „Das große Schlagwort heißt Big Data of the Past“, erklärt Thomas Aigner das Wesen des Projekts, das sich derzeit in der zweiten Beantragungsstufe befindet. Genug Arbeit für weitere 10 Jahre wartet also bereits.
- 825 Aufrufe