Online: 16. Niederbayern Stammtisch: Der Volksschullehrer und seine Familie
Zwar gab es bereits etwa ab Mitte des 17. Jahrhunderts Dorfschulen, in denen Kinder lesen und schreiben lernen konnten. Doch erst ab dem Jahr 1802 wurde in Bayern die Schulpflicht eingeführt. Etwa ab dieser Zeit gab es auch eine geordnete Lehrerausbildung, sodass aus dem „Schulmeister“ der „Volksschullehrer“ wurde. Dass nun alle Kinder in die Schule gehen mussten, führte insbesondere auf dem Land des Öfteren zu Unstimmigkeiten zwischen dem „Herrn Lehrer“ und den Bauersfamilien, da die Kinder auf dem Hof als Arbeitskräfte dringend benötigt wurden. Weibliche Lehrkräfte gab es bis 1876 nur in Klosterschulen, ansonsten war die Ehefrau des Lehrers für den Unterricht in Handarbeit zuständig – auch ohne Ausbildung.
Ansonsten sollten die meist 50 und mehr Kinder, die sich in einem Schulsaal drängten, die Grundrechenarten sowie das Lesen und Schreiben erlernen. Im Rahmen des Religionsunterrichts hörten sie Geschichten aus der Bibel und sollten grundlegende Regeln des Zusammenlebens kennenlernen. Der Religionsunterricht war ganz besonders wichtig, zumal der Lehrer unter der Aufsicht der Kirche, d.h. des örtlichen Pfarrers stand.
Da der Lehrer meist von den Eltern der Kinder bezahlt werden musste, erhielt er nur eine äußerst bescheidene Entlohnung. Auf dem Land, wo jeder größere Ort ein Schulhaus hatte, wurde ihm darin eine Wohnung, in der die ganze Familie Platz finden musste, als Teil seines Lohns gestellt. Darüber hinaus erhielt er einen Obst- und Gemüsegarten zu seiner Versorgung. Je nach Ort war auch die Lieferung von Naturalien wie z. B. Brot, Getreide und Brennholz an den Lehrer vorgesehen. Neben seiner eigentlichen Lehrtätigkeit war der Lehrer oft noch mit dem niederen Kirchendienst als Organist, Chorleiter und Mesner beauftragt. Viele waren auch als Gemeindeschreiber tätig, da nur wenige Leute schreiben konnten. Mit diesen Nebentätigkeiten verdiente er mehr als mit seinem eigentlichen Beruf! Versetzungen über weite Strecken waren häufig und stellen den heutigen Familienforscher vor eine Reihe von Problemen, die es bei der Forschung zu beachten gilt.
Zu Beginn ihres Referats zeichnete Monika Burger die Entwicklung des Schulwesens von den Zeiten Herzog Tassilos III im Jahre 774, über die Gründungen von Klosterschulen im Mittelalter, bis zur Neuzeit auf. Auch auf die Ausbildung und berufliche und private Entwicklung eines Schullehrers ging sie ein.
Einprägsam und lebendig rankte sich ihr Vortrag um das Leben von Otto Dachs (1865-1938), dem Urgroßvater der Referentin. Viele private Hintergrundinformationen zeigten auf, wie schwierig doch der Start in die berufliche Karriere eines Lehrers damals war. Aber auch wie hartnäckig und ideenreich man teilweise sein musste, um die Erlaubnis zur Heirat und damit die Basis zur Gründung einer Familie zu bekommen. Die häufigen berufsbedingten Ortswechsel des damaligen Lehrpersonals stellen noch heute den Familienforscher vor grundlegende Herausforderungen. Monika Burger gab Tipps und Anregungen, wie man auch diese Hürden meistern kann.
Das Thema war für alle Teilnehmer von Interesse. Für die einen, weil sie Lehrkräfte in ihren Ahnenreihen haben, für andere aber, weil sie sich durch den Vortrag teils in die eigene Kindheit zurückversetzen konnten.
- 2829 Aufrufe