Einführung der Kuhpockenimpfung im Nördlinger Ries
Gerhard Beck sprach zunächst über einen Zufallsfund auf einem Dachboden in Hüssingen. Es handelt sich um alte Briefe aus der Mitte des 19. Jahrhunderts aus Amerika. Da in Hüssingen der Familienname Frosch nicht zugeordnet werden konnte, forschte er weiter und so konnten 10 Namen aus den Briefen Steinharter Familien zugeordnet werden. Ein einmaliger Fund und wunderbare Ergänzung für die Familienforschung.
Der Vortrag ist durch die Auswertung von kirchlichen Akten (Konsistorialakten) jener Zeit entstanden. In früheren Zeiten war es mit den hygienischen Verhältnissen und der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung nicht zum Besten gestellt. Auf dem Land versorgten Dorfbader die Leute und auch die Heilmethoden der Ärzte in den Städten waren nicht immer erfolgreich. So rafften Epidemien oftmals reihenweise die Bevölkerung dahin. Erst im Laufe der Zeit verbesserten sich die Verhältnisse. Die Pocken gehörten zu den schlimmen Infektionskrankheiten. In regelmäßigen Abständen erkrankten Kinder daran und ein Großteil starb. 1233 wurde in Nördlingen das erste Spital erwähnt, nach der Stadterweiterung 1327 musste ein neues Siechenhaus außerhalb der Mauer gebaut werden. Im Sterberegister des Kirchenbuchs Ederheim findet man 1798 innerhalb kürzester Zeit viele verstorbene Kinder. Im Oettinger Wochenblatt wurde regelmäßig über Besonderheiten berichtet, so auch über die Epidemien. 1799 starben bei Pockenepidemien in Oettingen 44 und bei einer Pockenepidemie 1803 in Wechingen 27 Kinder.
Bereits ab 1769 wurden in Nördlingen Pocken-Impfversuche an Waisenkindern durchgeführt. Auch der Mönchsdegginger Pfarrer Winkelmann gehörte zu den Pionieren und unternahm Impfversuche an seinen eigenen Kindern. Die Impfung bestand aus dem verdünnten Inhalt der Pocken-Blasen („Blattern“) von erkrankten Personen, diese Impfung war gefährlich, da die Impfstoffmenge schlecht dosiert werden konnte. Der Durchbruch gelang erst im Jahr 1796 in England durch die Entdeckung der Wirksamkeit der Kuhpockenimpfung durch Edward Jenner. Er stellte fest, dass Menschen, die die Kuhpocken hatten, nicht an den Pocken erkrankten. 1799 wurden in Wien die erste Impfung durch Jean de Carro durchgeführt und verbreitete sich innerhalb kurzer Zeit auf dem ganzen Kontinent. Im Fürstentum Wallerstein machte sich Fürstin Wilhelmine Friederike für die Impfung stark und ordnete so genannte „Kuhpockenpredigten“ an, lange bevor im Jahr 1807 in Bayern als erstem Land die Pocken-Impfpflicht eingeführt wurde. 1801 wurde im Oettinger Wochenblatt eine Schrift zur Aufklärung über die neue Impfmethode veröffentlicht. Die Priester fungierten als Mediatoren.
Bereits 1803 konnte man im Oettinger Wochenblatt lesen, dass die Zahl der Erkrankungen rückläufig ist und im Jahr 1802 kein Krankheitsfall auftrat. Die Pfarrer dokumentierten die Impfungen, erstellten Listen, die an die Landeskirche geschickt wurden (Konsistorialakten). Leider gab es immer wieder Impfkritiker. Ein Beispiel war Wechingen und Holzkirchen. In Holzkirchen waren die Kinder geimpft, in Wechingen ließen die Eltern die Kinder nicht impfen – bei der nächsten Krankheitswelle starben in Wechingen sehr viele Kinder, in Holzkirchen nur zwei Kinder. Zuletzt zeigte Herr Beck einige Originaldokumente, Impflisten von 1807 (Hirschbrunn und Steinhart), Taufbücher (häufig der Eintrag „bis hierher geimpft“ und Impfscheine von 1824 und 1858.
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