3. Bezirkstreffen 2012 in Wegscheid

Veranstaltungstermin: 
Samstag, 6. Oktober 2012 - 10:00
Veranstalter: 
BLF-Bezirksgruppe Niederbayern

Dieses Zusammenkommen ist, neben der sehr interessanten Ortsgeschichte von Wegscheid, besonders auch vom Beruf der Weber geprägt, hier wurden schon im 19. Jahrhundert Vertriebsorganisationen für Webereiprodukte, speziell auch aus der "Neuen Welt", gegründet. Die Lage im Fürstbistum Passau und die Nähe zum k.u.k. Österreich, war ebenfalls für viele interessante Entwicklungen in Wegscheid verantwortlich.

Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden, besonders erwähnt wurde Herr Claus Pfeiffer, der aus Niddatal in Hessen angereist war. Sein Gruß galt dem Ehrenmitglied Diedrich Sahlman und ganz speziell auch dem neuen Ehrenmitglied des BLF, Herrn Josef Stockinger, der vor kurzem den 75. Geburtstag feiern konnte, wozu nochmals herzlich gratuliert wurde. Er hat zusammen mit Herrn Norbert Würfl die Organisation der Versammlung übernommen, beide gestalten die Veranstaltung mit ihren Referaten.

In Umlauf gegeben wird das neue Buch unseres Mitglieds Herrn Erwin Eisch, welches er für die Vereinsbibliothek gestiftet hat. Wegen einer Familienfeier, war er an diesem Tag nicht verfügbar.

Herr Stockinger zeigt zuerst Besitzerfolgen unseres Treffpunkt-Gasthauses bis zum ersten „Escherich“ , der vor 1720 in der Oberpfalz geboren und zusammen mit einem Bruder nach Wegscheid gekommen ist und 1750 geheiratet hat. Seitdem ist der Name in ununterbrochener Reihenfolge auf dem Haus, der Name ist heute in der Gegend weit verbreitet. Dieses Beispiel ist zugleich Anknüpfungspunkt zu der Thematik „Gesellenwanderung“. Herr Stockinger zeigt auf, dass gerade in Handwerk und Gewerbe viele Gesellen aus allen Teilen Deutschlands durch Einheirat (Witwe oder Tochter) Stammväter heute noch vorhandener Betriebe geworden sind und zeigt dazu auch Beispiele aus seiner Forschung.

Dabei spielen auch Hammerschmieden eine spezielle Rolle, faszinierend ist zu hören, wie verschiedene solcher Betriebe in der Umgebung sich entsprechend den Erfordernissen weiter entwickelt haben. War am Anfang die Nutzung der Wasserkraft als Ersatz für Kräfte forderndes Schmieden, so entwickelte sich in der Folge Spezialisierung und Serienfertigung bis zu industrieller Anwendung. Aber auch für Tätigkeiten von Gerbern, über das Walken in der Stofferzeugung sogar bis zur Schnupftabak-Produktion wurde die Wasserkraft erfolgreich genutzt, bis dann anfangs des 20. Jahrhunderts auch noch die Stromerzeugung dazukam. Untermauert mit Namen und Daten durften wir so Einblick nehmen in einen, wenn auch nur kleinen Bereich des immensen Forschungsvolumens von Herrn Stockinger.

In der Folge berichtet er von der Entwicklung der Weberei in der Gegend, die sich ergab durch klimatisch begünstigte Flachserzeugung und dem Vorhandensein vieler Arbeitskräfte (Siedlungspolitik der Fürstbischöfe im späten 17. Jahrhundert). Nachdem wesentlich mehr Kapazität, als für den Bedarf der Bevölkerung notwendig, verfügbar war, haben findige Leute in Wegscheid Absatzmöglichkeiten ermittelt und ausgebaut und die von den Webern erzeugten Produkte vermarktet. Daneben wurde auch die „Veredlung“ (Färben, Bedrucken, Zuschneiden, Nähen…) des Produktes Leinen weiterentwickelt, was auch zu einer Zuwanderung von Spezialisten aus anderen Landesteilen führte. Um die Abhängigkeit von Einzelpersonen zu reduzieren wurden in der Folge Produktions- und Vertriebsgenossenschaften gegründet. Die Übernahme der Stoffproduktion durch die Industrie (automatisierte Webstühle), der Einsatz günstigerer Werkstoffe aus dem Ausland (Baumwolle) beendete eine Phase „versorgter Existenz“ im Wegscheider Land. Der ganze Komplex „Weben“ ist heute nur noch im Museum nachzuvollziehen, eine geschickte Nutzung von Marktnischen bietet noch Chancen für Spezialisten.

Dies ist gleichzeitig der Einstieg für den nächsten Programmpunkt: Besuch der Weberei Moser in Wegscheid. Die Familie Moser hat auf den Sektor „Hochwertige Heimtextilien“ gesetzt und dafür das schon viele Generationen bestehende Unternehmen nach Wegscheid verlegt. Man hat eine Anzahl von Webstühlen von anderen Betrieben aufgekauft, die für ein bestimmtes Produkt eingerichtet nur spezielle Produkte erzeugen. Wir bekamen einen Einblick in die Firmengeschichte, erfuhren von Märkten und Kundenstrukturen, von Zulieferern und Vertriebspartnern, konnten beim Arbeitsablauf am Beispiel eines Stoffes mit eingewebten Mustern zuschauen. Es ist faszinierend zu sehen, wie scheinbar spielerisch der Weber mit Händen und Füßen den Webstuhl, immer im gleichen Takt, in Bewegung hält.

Nach dem Mittagessen stellt Herr Norbert Madl sein Wegscheider Häuserbuch vor. Ausgehend von einer Wald-Verteilliste aus dem Jahr 1747, in der erstmals alle 130 Häuser der Stadt aufgeführt sind, hat er für diese die Besitzerfamilien bis in die heutige Zeit ermittelt. Wo eine eindeutige Zuordnung möglich war, wurden Personen vor diesem Stichpunkt aus den Matrikeln der Pfarrei Wegscheid entnommen, womit bei einigen Häusern die Besitzer bis ins 17. Jahrhundert aufgezeigt sind. Ergänzt wurden die Angaben jeweils mit einem aktuellen Bild, teilweise auch mit historischen Ansichten. Aus Datenschutzgründen ist eine Veröffentlichung des interessanten und umfangreichen Werkes leider nicht möglich.

Mit intensivem Informations- und Erfahrungsaustausch nach dem offiziellen Programm endete ein interessanter Tag am späten Nachmittag.

Art der Veranstaltung: 
Exkursion, Ausflug
Vortrag, Referat
Region/zuständiger BLF-Bereich: 
BLF-Bezirksgruppe Niederbayern
Teilnehmerkreis: 
für BLF-Mitglieder; Gäste sind herzlich willkommen
Anmeldung: 
Anmeldung nicht erforderlich